Ex-SBB-Chef wirft Bahnführung fehlenden Sachverstand vor
Der frühere Chef der Schweizer Bundesbahnen (SBB), Benedikt Weibel, sieht die Deutsche Bahn in einem dramatischen Zustand. In einem Interview spricht er von einem "eklatanten Defizit an Bahn-Sachverstand" im Vorstand, fehlender operativer Kontrolle und einer beschädigten Unternehmenskultur. Die geplante Generalsanierung sei notwendig, aber nicht ausreichend.

Deutsche Bahn/Volker Emersleben
Bei der DB hapere es an vielen Stellen, glaubt der frühere Chef der Schweizer Staatsbahnen
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Anstelle von Strategiedebatten bedürfe es funktionierender Abläufe und eines belastbaren Netzkonzepts wie in der Schweiz, sagt Weibel im Gespräch mit Zeit Online. Über Jahre hinweg habe der Konzern seine zentrale Aufgabe vernachlässigt: die Pflege und den Ausbau der Infrastruktur. Die jetzt bevorstehende Generalsanierung bezeichnet er als "eine Art Notwehr".
Weibel kritisiert nicht nur den Zustand des Schienennetzes, sondern auch die Führungsstruktur der Bahn. So fehle im Vorstand betriebliches Know-how. Es gebe "ein eklatantes Defizit an Bahn-Sachverstand", kritisiert er. Vorstandschef Richard Lutz sei zwar ein langjähriger Mitarbeiter, komme aber aus dem Finanzbereich. Die Komplexität des Bahnbetriebs werde unterschätzt. Notwendig sei ein Produktionsplan, der alle Störfaktoren berücksichtige und den Betrieb schnell wieder ins Lot bringen könne.
Doch die Strukturen dafür seien bei der Deutschen Bahn nicht ausreichend vorhanden. Störungen würden zu langsam abgearbeitet, operative Probleme nicht gelöst.
Kultur der Verantwortung
Aus seiner Zeit bei den SBB berichtet Weibel von wöchentlichen Vorstandssitzungen, die mit einer Stunde zur Betriebslage und monatlichen Reports über Verspätungsursachen begonnen hätten. Probleme seien systematisch analysiert und mit Projekten adressiert worden. Darüber hinaus habe er den Austausch mit den Mitarbeitern gepflegt und jedes Jahr persönlich 17 Standorte im Land besucht.
Diese Nähe sei wichtig, um eine Unternehmenskultur zu etablieren, die auf Pünktlichkeit, Sauberkeit und Sicherheit beruhe. Diese Kultur habe die Deutsche Bahn verloren, glaubt der langjährige Manager. Strategische Großprojekte wie die früheren Börsenpläne hätten das operative Denken verdrängt.
Kein Gewinnverbot
Weibel widerspricht gegenüber Zeit Online auch der häufig geäußerten Meinung, die Bahn dürfe keine Gewinne machen. Der gesamte Sektor sei auf öffentliche Mittel angewiesen, dennoch müsse effizient gewirtschaftet werden. "Ich verwende lieber das Wort Überschuss als Gewinn", so Weibel. Diese seien notwendig, um Investitionen zu ermöglichen und den Betrieb zu sichern.
Die von Teilen der Politik diskutierte Zerschlagung des Bahnkonzerns hält er für kontraproduktiv. Infrastruktur und Betrieb müssten eng verzahnt bleiben, um in Krisensituationen schnell reagieren zu können. Beispiele aus Frankreich zeigten, dass eine Trennung langfristig nicht funktioniere.
Vorbild Schweiz
In der Schweiz habe man frühzeitig ein umfassendes Netzkonzept entwickelt, erklärt Weibel. Seit den 1980er-Jahren sei der Fahrplan dort der Ausgangspunkt für Infrastrukturinvestitionen gewesen. Das Ergebnis abgestimmter Knotenpunkte und kürzerer Reisezeiten sei ein signifikanter Anstieg der Fahrgastzahlen.
Deutschland versuche seit einigen Jahren, dieses Modell mit dem "Deutschlandtakt" zu übernehmen. Doch die Konzepte blieben Stückwerk, weil das Zusammenspiel von Fahrplan und Infrastruktur nicht vollständig durchdacht sei.
Kreative Lösungen
Auch als Bahnkunde erlebt Weibel Schwächen im deutschen System, die sich nicht mit maroder Infrastruktur erklären ließen. Es fehle an kreativen Lösungen – etwa bei Zugdesign und Umsteigelogistik. So kritisiert er, dass ICE-Züge nicht als Doppelstockvarianten geplant seien, obwohl diese mehr Sitzplätze bei gleichem Zugvolumen böten. Auch die Türen seien ungünstig konstruiert und führten zu Zeitverlusten.
Digitalisierung könne helfen, Abläufe zu stabilisieren, etwa durch präzise Haltepositionen der Züge. Das spare Zeit und mache Umstiege planbarer. Es sei entscheidend, nicht nur zu modernisieren, sondern die Organisation grundlegend neu auszurichten.
Christian Schmicke