Warum Rückvergütungen wohl zulässig bleiben
Reisebüros dürfen ihre Provision an Kunden weitergeben, stellt Jurist Hans-Josef Vogel klar. Die umstrittenen Klauseln in Agenturverträgen, die Rückvergütungen verbieten, seien rechtlich nicht haltbar. Vogel verweist auf Urteile bis zurück ins Jahr 1987. Wettbewerbsrechtlich sei entscheidend, dass Reisevermittler frei über ihre Marge frei verfügen können, auch wenn das nicht allen Veranstaltern gefalle.

iStock/nicomenijes
Die Weitergabe eines Teils der Marge an Kunden sei rechtens, sagt Jurist Hans-Josef Vogel
Grand Train Tour of Switzerland
Willkommen auf der Grand Train Tour of Switzerland. Die neue sechstägige «Seen & Gipfel» Tour führt vorbei an glitzernde Seen, auf majestätische Berge und in charmante Städte – ein echtes Bahnerlebnis voller Vielfalt. Es gibt unzählige Gründe, weshalb man die Schweiz erkunden sollte. Jetzt entdecken
Die Diskussion um Rückvergütungen in Reisebüros hat neue Fahrt aufgenommen – nicht zuletzt wegen eines aktuellen Urteils des Landgerichts Düsseldorf. Doch für den Juristen Hans-Josef Vogel ist die Rechtslage klar: Reisebüros dürfen ihre Provision ganz oder teilweise an Kunden weitergeben. Im Travelholics-Podcast von Roman Borch erläutert der Professor und Partner bei der Kanzlei Advant Beiten die Hintergründe – und stellt klar, dass der Streitpunkt keineswegs neu ist.
Grundsatzurteil von 1987
Der Europäische Gerichtshof habe bereits 1987 in einem Fall aus Belgien entschieden, dass ein Rückvergütungsverbot gegen das Wettbewerbsrecht verstößt. Damals hatte es in Belgien ein Gesetz gegeben, das Reisebüros untersagte, Provisionen weiterzugeben. Der EuGH erklärte diese Regelung für unzulässig. "Das war der eigentliche Anfang der Debatte", so Vogel. Auch spätere Urteile, etwa des Oberlandesgerichts München 2005, hätten diesen Grundsatz bestätigt.
Entscheidend sei, so Vogel, zwischen dem Produktpreis und der Marge des Vermittlers zu unterscheiden. Als Handelsvertreter dürfe ein Reisebüro zwar nicht den Preis der vermittelten Reise verändern – wohl aber mit seiner Provision frei wirtschaften. "Deshalb sprechen wir auch von Rückvergütung und nicht von Rabatt", betont der Jurist. Eine Klausel im Agenturvertrag, die Rückvergütungen verbiete, sei nichtig, da sie gegen geltendes Wettbewerbsrecht verstoße.
Vogel sieht in der Diskussion eine gewisse Überhitzung. Das Thema sei nicht neu – und auch keine akute Gefahr für den stationären Vertrieb. "In den vergangenen 30 Jahren ist der Reisevertrieb nicht an Rückvergütung gescheitert." Entscheidend bleibe die unternehmerische Entscheidung des jeweiligen Reisebüros. Ob sich eine Rückvergütung rechne, sei eine Frage des Geschäftsmodells, nicht des Rechts.
Rechtliche Unsicherheit bleibt – bis zur letzten Instanz
Die aktuelle Aida-Entscheidung ist laut Vogel nicht rechtskräftig. Eine Berufung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf steht aus, eine finale Klärung könnte auch erst durch den Europäischen Gerichtshof erfolgen. Vogel geht allerdings nicht davon aus, dass sich die Rechtsprechung grundlegend ändern wird. "Es gibt keinen erkennbaren Grund, warum der EuGH von seiner Linie abweichen sollte."
Im Podcast verweist Vogel auf Beispiele aus anderen Branchen: Gutscheine, Kundenclubs und Loyalty-Programme seien nichts anderes als systematisierte Rückvergütung. Entscheidend sei, dass der Wettbewerb nicht behindert werde. Wenn ein Reisebüro einen Teil seiner Provision für Marketing, Services oder direkte Rückzahlungen einsetzt, sei das rechtlich zulässig – solange keine Dumpingpreise oder Irreführungen erfolgen.
Veranstalter können Modelle ändern – müssen aber nicht
Unabhängig von der Rückvergütungsfrage bleibe es Veranstaltern unbenommen, ihr Vertriebsmodell zu ändern. "Sie könnten auf Direktvertrieb umstellen oder mit eigenen Vertriebsstrukturen arbeiten." Aus ökonomischer Sicht sei das aber fragwürdig. Handelsvertreter arbeiteten in der Regel erfolgsabhängig und verursachten nur Kosten, wenn ein Verkauf erfolge – ein Vorteil gegenüber kostenintensiven Filialstrukturen.
Für Vogel ist klar: Rückvergütung ist rechtlich zulässig, wirtschaftlich aber nicht zwingend sinnvoll. Reisebüros sollten genau abwägen, ob eine Rückgabe der eigenen Marge langfristig zum Erfolg beiträgt. Veranstalter wiederum müssten akzeptieren, dass sie rechtlich keinen Einfluss auf die Verwendung der Provision durch das Reisebüro nehmen dürfen – selbst wenn sie das in ihren Verträgen anders formulieren.
Christian Schmicke